Franziska Heske

Bevor ich den Entschluss gefasst habe meinen Realschulabschluss an der Abendrealschule nachzuholen, hatte ich einen mehr als schlechten Hauptschulabschluss und war vor allem Mutter einer 10-jährigen, einer 4- und 2-jährigen Tochter. Ich habe mehrere berufliche Anläufe hinter mir, die aber (mangels Vorqualifikation durch einen guten Schulabschluss) nicht die richtige Wahl waren und somit blieb auch der Erfolg aus. Das hat schon große Selbstzweifel in mir geschürt. Als meine Ehe in die Brüche ging und mir bewusst wurde, dass ich in der Zukunft alleine für unsere drei Kinder und mich die finanzielle Verantwortung tragen muss, kam die Idee ins Spiel, meinen Realschulabschluss nachzuholen, um Krankenpflegerin zu werden. So weit, so solide. An echten Erfolg, ein 1er Abitur und ein Psychologiestudium, habe ich 2011 noch gar nicht glauben können. So eine Zukunftsvision hätte ich lachend als völlig absurd durchgewinkt.

Ein besonderer Beweggrund an meiner Situation etwas zu ändern war vor allem der, für meine Kinder ein gutes Vorbild zu sein. Und natürlich Performer meines eigenen Lebens zu werden. Retrospektiv gesehen hatte ich auch einfach Angst, für immer von Hartz 4 leben zu müssen mit einer beruflich unsicheren Zukunft.

Schule, Beruf und Privates unter einen Hut zu bekommen war für mich wirklich das Schwierigste. Anfängliche Hürden, wie das Bangen um den Kita-Platz für die 2-Jährige, Gewissensbisse meinen Kinder gegenüber, weil meine Aufmerksamkeit zwischen Kindern und Schule aufgeteilt werden musste und nervenaufreibende Auseinandersetzungen mit den Ämtern, haben mir den Start wirklich nicht sehr leicht gemacht.

Ich habe schnell gemerkt, dass ich meine Aufgaben in Prioritäten in A (sehr wichtig), B (halb wichtig) und C (kann geschoben werden oder ist für meine Prioritäten unwichtig) einteilen muss, um einen klaren Fokus zu bekommen, der dann durch gute Leistungen belohnt wird. Eine gute Organisation, ein klares Zeitmanagement und verbindliche Absprachen bei der Betreuung der Kinder einzufordern, musste ich erst lernen. Es gab tatsächlich Tage, da wollte ich alles hinwerfen und mir irgendwo einen Job an der Kasse suchen. Die Lehrer des WBK haben mich aber immer wieder aufgepäppelt, individuelle Lösungen mit mir gefunden und mich motiviert weiter zu machen. Ich wusste bis dahin nicht, dass die Schule so ein guter und kraftspendender Ort sein kann.

Was mir am meisten geholfen hat, war alle Anforderungen des Lebens (vor allem durch Kinder und Schule) als ein Geschenk zu betrachten. Das hat mir schlussendlich die meiste Energie gegeben durchzuhalten. Und so handhabe ich das heute noch.

Finanziell habe ich die gesamte Zeit gut durchgehalten. Der Besuch der Abendrealschule wurde durch BAföG gefördert, beim Wechsel zum Abendgymnasium habe ich erst einmal Hartz 4 bezogen und ab dem 4. Semester gab es auch dort BAföG. Mein Leben war so auf jeden Fall zu schaffen.

Mein Ziel war der Realschulabschluss, den ich für meine Ausbildung zur Krankenpflegerin brauchte. Nach bestandener Prüfung war ich doch überrascht, dass ich anscheinend in der Lage war, einen recht passablen Realschulabschluss mit Quali hinzubekommen. Angefixt vom Erfolg habe ich mich trotz vieler Warnungen, dass ein Abitur mit drei Kindern nicht zu schaffen sei, beim Abendgymnasium angemeldet. Meine Durchschnittsnote des Abiturs war dann sogar noch besser als die des Realschulabschlusses. Heute studiere ich Psychologie. Das macht mir richtig Spaß und ist genau das Richtige für mich!

Meine Familie und meine Freunde sind heute sehr stolz auf mein Durchhaltevermögen und meinen Erfolg. Aber vor allem bin ich richtig stolz auf mich! Heute bin ich viel selbstsicherer und mutiger als 2011. Ich weiß was ich kann. Das tut einfach richtig gut!

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